nach oben
15.03.2016

Hohe Hürden für den Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts nach § 917 BGB

Die Kläger sind seit Ende der siebziger Jahre Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks. Entlang des Grundstücks führt eine öffentliche Straße, über die das Grundstück über eine Treppe zugänglich ist. Der Höhenunterschied zu dieser Straße beträgt allerdings 8 m, sodass ein Befahren von dieser Seite ausscheidet. Auf der anderen Seite des Grundstücks besteht kein Zufahrtsweg, der im Eigentum der Kläger steht. Vielmehr grenzt daran das Grundstück einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Über dieses Grundstück der benachbarten WEG führt ein Zufahrtsweg zur öffentlichen Straße, der von den Klägern in der Vergangenheit als Zufahrt genutzt wurde. Dieses Nutzungsrecht ist aber weder schuldrechtlich noch dinglich abgesichert. Die Kläger verfügen auf ihrem eigenen Grundstück über einen Kfz-Abstellplatz, der nur über den Zufahrtsweg der benachbarten WEG erreichbar ist. Im Jahr 2011 kommt es zu Unstimmigkeiten zwischen den Klägern und Mitgliedern der benachbarten WEG. Infolgedessen werden die Kläger aufgefordert, die Nutzung des Weges zukünftig zu unterlassen. Hiergegen wenden sich die Kläger; sie meinen, einen Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts über den Zufahrtsweg des Nachbargrundstücks gegen Zahlung einer angemessenen Notwegerente zu haben und klagen diese ein. Wiederbeklagend macht die WEG den Unterlassungsanspruch geltend.

Erstinstanzlich wurde der Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts abgewiesen und der Klage auf Unterlassung stattgegeben. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Auch die Revision zum BGH blieb für die Kläger erfolglos.

Erneut hat der BGH vorangestellt, dass eine ordnungsgemäße Grundstücksbenutzung grundsätzlich die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug voraussetzt. Allerdings hat er auch klargestellt, dass das Fehlen der Erreichbarkeit nicht bereits dann gegeben ist, wenn mit dem Kfz nicht bis vor den Eingangsbereich des auf einem Grundstück gelegenen Hauses gefahren werden kann. Nach Auffassung des BGH reicht es vielmehr aus, dass Einkäufe und sonstige Dinge, die üblicherweise mit einem Kfz transportiert werden, an das Grundstück herangefahren und der Eingangsbereich mit diesen Dingen in zumutbarer Art und Weise erreichbar sei. Zwar stellt es einen wünschenswerten Komfort dar, wenn man mit dem Fahrzeug direkt bis an den Hauseingang heranfahren kann. Dieser persönliche Komfort rechtfertigt allerdings nicht die Einräumung eines Notwegerechts. Denn – so der BGH – auf die persönlichen Bedürfnisse des jeweiligen Eigentümers kommt es nicht an. Deshalb war es im vorliegenden Fall auch unerheblich, dass die Kläger bereits hochbetagt waren und körperlich nicht mehr in der Lage waren, die Einkäufe über die Treppe auf das 8 m tiefer gelegene Grundstück zu tragen. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 917 BGB erfordern es, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Da diese Anspruchsvoraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben war, konnte die Revision keinen Erfolg haben.

Auch die Tatsache, dass über viele Jahre hinaus – vorliegend waren es 31 Jahre – die Nutzung des nachbarlichen Zuwegs widerspruchslos geduldet wurde, gewährte den Klägern keinen Anspruch. Zu denken gewesen wäre hier an einen Anspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis oder einer Verwirkung des Anspruchs auf Unterlassung. Eine Verjährung oder Verwirkung des Unterlassungsanspruchs ist dabei bereits deswegen ausgeschlossen, weil der Unterlassungsanspruch mit jedem Überfahren erneut entsteht. Ein eventueller schuldrechtlicher Anspruch aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis besteht nur so lange, bis er gekündigt oder widerrufen wird. Damit war das Überfahren von der andauernden Zustimmung der benachbarten WEG abhängig, die aufgrund des Streits im Jahr 2011 von dieser widerrufen wurde.


← zurück