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20.07.2012

Entfernter Abkömmling kann trotz Pflichtteilsverzichts des näheren Abkömmlings laut BGH Pflichtteilsanspruch haben

Pflichtteilsansprüche eines entfernteren Abkömmlings werden nach Auffassung der Richter des Bundesgerichtshofs nicht durch letztwillige oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers geschmälert, die dieser einem trotz Erb- und Pflichtteilsverzichts testamentarisch zum Alleinerben bestimmten näheren Abkömmling macht, wenn beide Abkömmlinge dem einzigen Stamm gesetzlicher Erben angehören. Dies soll auch dann gelten, wenn näherer und entferntere Abkömmlinge, so zum Beispiel Tochter und Enkelin, aus einer demselben Familienstamm stammen (IV ZR 239/10).

Zu Grunde lag ein Fall, in dem der Vater seine Tochter zu alleinigen Erben bestimmt hatte, obwohl diese vorher auf ihren Erb- und Pflichtteil notariell verzichtet hatte. Diese Erklärung umfasste allerdings die Ansprüche aus dem eigenen Familienstamm, damit auch die Ansprüche der eigenen Kinder der Tochter, gerade nicht.

Der BGH entschied die Sache nur insoweit, als dass er das Urteil aufhob und an die Vorinstanz zurückverwiesen. Zur Begründung erklärte er, dass die beklagte Mutter der nähere und als solcher grundsätzlich vorrangige Abkömmling des Erblassers sei. Jedoch gelte sie infolge ihres Erb- und Pflichtteilsverzichts nach den gesetzlichen Regelungen allerdings als vorverstorben.Damit sei ihre eigene Tochter an ihre Stelle getreten. Nachdem der Großvater ihr mit seinem Testament jedoch nichts zugewandt hatte, könne sie nun Pflichtteilsansprüche anmelden. 

Diese auf den 1. Blick doch überraschend anmutende Entscheidung begründete der BGH mit dem Zweck der Norm. Der Gesetzgeber habe seinerzeit gewünscht, dass innerhalb eines Familienstammes mehrere Pflichtteilsansprüche auf mehreren Generationsebenen ausgeschlossen werden sollten. Der Gesetzgeber wünschte jedoch nicht, dass die Situation, dass Erbe und Pflichtteilsanspruchsteller aus dem gleichen Familienstamm stammen, ausgeschlossen würde.


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