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09.08.2017

Immobilienkauf und Haftung aus vorvertraglicher Pflichtverletzung

Die Beklagten waren Eigentümer einer Eigentumswohnung, die an die Kläger verkauft wurde. In dem notariellen Kaufvertrag ist – wie für gebrauchte Immobilien üblich – ein Gewährleistungsausschluss vereinbart. Dieser Gewährleistungsausschluss ist auch wirksam. Die Verkäufer hatten bei Verkauf der Immobilie allerdings Kenntnis davon, dass in unmittelbarer Nachbarschaft die Bebauung eines Grundstücks mit einem Mehrfamilienhaus geplant ist. Ca. ein halbes Jahr nach Abschluss des Kaufvertrages wird das Bestandsgebäude auf dem Nachbargrundstück abgerissen und besagtes mehrstöckiges Mehrfamilienhaus errichtet. Die Kläger sind der Auffassung, dass die Verkäufer eine Offenbarungspflicht hinsichtlich dieser Bebauung gehabt hätten und machen Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichten geltend. Sie beziffern diesen Anspruch mit 10 % des Kaufpreises. Sie argumentieren, die Verkäufer hätten auch ungefragt darüber informieren müssen, dass eine Bebauung geplant sei. Die Verkäufer berufen sich auf den wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss.

Das LG Hamburg gibt den Klägern mit Urteil vom 04.07.2017 - 326 O 193/15 - Recht, beziffert den Schadensersatzanspruch allerdings nach entsprechender Beweiserhebung durch einen Sachverständigen auf (nur) 5 % des Kaufpreises. In der Begründung für das Landgericht aus, dass der Gewährleistungsausschluss zwar wirksam vereinbart worden sei und ein Sachmangel der Immobilie nicht gegeben sei. Trotzdem stünde den Käufern neben dem allgemeinen Gewährleistungsrecht aus § 311 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten zu. Die veränderte Bebauung und damit die Veränderung der unmittelbaren Umgebung der Immobilie sei ein wertbildender Faktor, der für die Kaufentscheidung durchaus ausschlaggebend sei.

Die Entscheidung ist rechtskräftig; dennoch wirft sie einige Fragen auf, zumal das OVG Schleswig in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 1.2.2017 (Aktenzeichen: 1 LA 49/16) entschieden hatte, dass es verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung einer freien Aussicht gäbe. Die Anwendung des § 311 BGB eröffnet an dieser Stelle über die Hintertür bei wirksam vereinbarten Gewährleistungsausschluss über die vorvertragliche Aufklärungspflicht einen eigenständigen Schadensersatzanspruch obwohl das Landgericht ebenfalls feststellte, dass ein Sachmangel nicht gegeben sei.


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