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22.07.2022

Rechtswahl zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen rechtswidrig?

Der Erblasser war im Jahre 1936 in England geboren worden, lebte allerdings seit seinem 29. Lebensjahr bis zu seinem Ableben in Deutschland. Im März 2015 verfasste er ein Testament, mit welchem er eine gemeinnützige GmbH zu Alleinerben einsetzte. Seinen Adoptivsohn, den er im Oktober 1975 adoptiert hatte, schloss er von der Erbfolge aus. In dem Testament wählte er aufgrund seiner britischen Staatsangehörigkeit englisches Recht als Recht seines Heimatstaates. In 1. Instanz wurde die Klage des Sohnes auf Auskunft über den Nachlass abgelehnt, da das englische Recht keinen Pflichtteilsanspruch kenne. In 2. Instanz wurde der Klage stattgegeben, dieses Ergebnis wurde nun vom BGH bestätigt.

Der BGH sah im Rahmen der Erbrechtsgarantie nach Art. 14 I S. 1 i.V.m. Art. 6 I GG eine grundsätzlich unentziehbaren bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung von Kindern am Nachlass Ihrer Eltern auch in diesem Fall als gegeben an. Da es im englischen Recht keine vergleichbaren Ansprüche gäbe, stellte die Rechtswahl des Erblassers zum englischen Recht einen offensichtlichen Verstoß im Sinne des Art. 35 EUErbVO gegen diese Grundsätze und damit den ordre public dar, da der Lebensmittelpunkt des Erblassers über Jahrzehnte in Deutschland belegen war. Damit sei der notwendige Inlandsbezug des Falles gegeben. Der BGH sah auch keine Veranlassung, den Fall dem europäischen Gerichtshof vorzulegen, da die Unvereinbarkeit einer ausländischen Norm mit einer nationalen Rechtsordnung nur von nationalen Gerichten mit Blick auf ihre eigenen Gesetze beantwortet werden könne und dürfe.


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