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05.04.2013

Verlust der Erbberechtigung bei Geltendmachung des Pflichtteils trotz Pflichtteilsstrafklausel durch Sozialleistungsträger

Das OLG Hamm hatte am 28.02.2013 über einen Fall zu entscheiden, in dem Eheleute zunächst ein sogenanntes »Berliner Testament« errichtet hatten, sich also wechselseitig zu Alleinerben und zu unbeschränkten Schlusserben alle vier Kinder, auch das geistig behinderte Kind, eingesetzt hatten. Das Ganze wurde kombiniert mit einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel, also einer Anordnung, die vorsah, dass für den Fall, dass ein Kind nach Ableben des ersten Elternteils den Pflichtteil geltend macht, auch bei Ableben des Letztversterbenden es statt eines Erbteil s nur seinen Pflichtteil bekommt. Der Vater starb 1997. Für das behinderte Kind verlangte der Träger der Sozialhilfe nach Ableben des Vaters den Pflichtteil. 1998 wollte die überlebende Mutter eine Korrektur der letztwilligen Verfügung vornehmen und errichtete ein klassisches »Behindertentestament«, in dem sie ihrem schwer behinderten Kind zwar einen Erbteil zuwandte, allerdings nur als Vorerbe (damit beschränkt) und als Nacherben die drei gesunden Geschwister einsetzte. Mit dem Tod der Mutter 2010 machte der Träger der Sozialhilfe dann erneut den Pflichtteil, diesmal nach der Mutter, geltend. Die Geschwister verweigerten unter Hinweis auf die Anordnung im Behindertentestament die Auszahlung.

Das OLG Hamm begründete seine der Klage des Sozialleistungsträgers stattgebende Entscheidung damit, dass durch die Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Vater die Pflichtteilsstrafklausel aus dem Berliner Testament greife, insofern auch für den zweiten Erbfall der Pflichtteil zu Gunsten des behinderten Kindes anfiele und geltend gemacht werden könne. Dabei mache es keinen Unterschied, dass der Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht und nicht das behinderte Kind selbst den Pflichtteil nach Ableben des Vaters verlangt habe. Die Änderung des Testaments in 1998 sei zu spät gekommen, die Rechtswirkungen aus dem Berliner Testament schon ausgelöst. Insofern erhalte das behinderte Kind lediglich zweimal den Pflichtteil, nicht jedoch gelange es zur Vorerbschaft. Es sei durch das Berliner Testament gerade enterbt worden.

Diese Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, dass bei besonderen Familienkonstellationen für eine adäquate juristische Ausarbeitung letztwilliger Verfügungen immer Bedarf besteht.


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