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01.04.2015

Wann beginnt der Kündigungsschutz bei künstlicher Befruchtung?

In dem zugrunde liegenden Fall war die Klägerin seit Februar 2012 zusammen mit einer weiteren Angestellten in der Versicherungsvertretung des Beklagten beschäftigt. Den bis dahin unerfüllten Kinderwunsch teilte sie dem Arbeitgeber Mitte Januar 2013 mit. Gleichzeitig informierte sie ihn darüber, dass eine künstliche Befruchtung anstehe.


Am 24.1.2013 erfolgte der Embryonentransfer. 7 Tage später kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit ordentlicher Kündigungsfrist. Eine behördliche Zustimmung zur Kündigung wurde hierzu nicht eingeholt. Die Stelle der Klägerin wurde unverzüglich neu besetzt. Am 7.2.2013 wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt und der Arbeitgeber hierüber am 13.2.2013 informiert. Gegen die Kündigung erhob die Klägerin fristgerecht Kündigungsschutzklage und hatte damit in allen Instanzen Erfolg.


Das BAG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen mit dem Argument, die Kündigung verstoße sowohl gegen den besonderen Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen aus § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG als auch gegen das AGG-rechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.


Die Besonderheit des entschiedenen Fall lag darin, dass bisher noch nicht darüber entschieden wurde, ob dieser Zeitpunkt nach dem Mutterschutzgesetz erst ab Feststellung der Schwangerschaft greift, oder bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle, dem sogenannten Embryonentransfer. Das BAG entschied nun, dass es auf den letztgenannten Zeitpunkt ankomme.


Für die Klägerin galt daher der Sonderkündigungsschutz gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, so dass der Beklagte nicht ohne behördliche Genehmigung kündigen durfte.


Darüber hinaus sei das BAG aber auch einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. §§ 1, 3 AGG als gegeben an. Nach einem Urteil des EuGH vom 26.2.2008 (Rs. C-506/06) kann eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen wird, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen hat. Nach den Umständen des Sachverhalts ging das LAG berechtigt davon aus, dass die Kündigung wegen der dem Arbeitgeber mitgeteilten beabsichtigten Durchführung einer solchen Behandlung und der daraus resultierenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde. Eine solche Kündigung ist ebenfalls unwirksam.


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